Am 23. Februar 2024, einem frühen Freitagmorgen, hat das Bündnis „Unter 18 Nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr“ zusammen mit ihren Schirmherr:innen Merle Spellerberg (Grüne), Falko Droßmann (SPD) und Peter Heidt (FDP) Abgeordnete des Bundestags und ihre Mitarbeitenden zum parlamentarischen Frühstück eingeladen.

Straight 18: Warum die 18-Jahresgrenze bei der Rekrutierung von Soldat:innen wichtig ist, auch bei der Bundeswehr.

Ralf Willinger von der Kinderrechtsorganisation terre des hommes nutzt die Gelegenheit für einen Vortrag

Thema des parlamentarischen Frühstücks war selbstverständlich der international annerkannte Straight 18-Standard bei der Rekrutierung von Soldat:innen. Über 150 Länder halten diesen Standard ein, darunter 23 NATO- und 21 EU-Staaten. In Deutschland und nur wenigen anderen Ländern können unter 18-jährige aber weiter eine Ausbildung als Soldat:innen beginnen. Seit 2011 hat die Bundeswehr über 17.000 17-jährige Jungen und Mädchen als Soldat:innen eingestellt. Die Zahl der minderjährigen Soldatinnen und Soldaten bei der Bundeswehr ist im vergangenen Jahr sogar erneut stark gestiegen, es wurden 1.996 Jugendliche im Alter von 17 Jahren rekrutiert – ein Anstieg um 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr und der zweithöchste Wert bisher. Darunter waren 315 Mädchen. Mehr als jeder zehnte (10,6%) neueingestellte Soldat oder Soldatin war 2023 minderjährig, dies ist prozentual der höchste Wert bisher. Sie erhalten militärische Training wie erwachsene Soldat:innen und werden auch mit diesen zusammen untergebracht. Es kommt immer wieder zu schweren Kinderrechtsverletzungen, wie auch Daten aus dem Jahr 2021 aus dem Verteidigungsministerium belegen. Eine Einschränkung gilt für minderjährige Soldat:innen: Sie dürfen keinen Dienst an der Waffe leisten und deswegen nicht an Wachdiensten oder Auslandseinsätzen teilnehmen.

Der Koalitionsvertrag der Ampelparteien hat das Thema der minderjährigen Soldat:innen aufgenommen, und neben dem Dienst an der Waffe auch die Ausbildung an der Waffe für Minderjährige ausgeschlossen. Damit wurden Rahmenbedingungen für die weitere Einstellung von Soldat:innen in der Bundeswehr festgelegt.

Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes hat Deutschland vor kurzem erneut aufgefordert, das Rekrutierungsalter auf 18 Jahre anzuheben und so den internationalen 18-Jahre-Standard bei der Rekrutierung von Soldat:innen und die UN-Kinderrechtskonvention einzuhalten – dasselbe hat die Kinderkommission des Bundestages gefordert, ebenso Schweden kürzlich innerhalb des sog. UPR-Verfahrens im UN-Menschenrechtsrat. Dies ist auch essentiell, um die Bemühungen von Diplomat:innen, Vereinten Nationen und Zivilgesellschaft für ein Ende der Rekrutierung minderjähriger Soldat:innen in Ländern wie Myanmar, Somalia oder Kolumbien zu unterstützen.

„Es kann einfach nicht sein, dass Deutschland eins der wenigen Länder auf der Welt ist, die den Straight 18-Standard nicht einhalten. Insofern bin ich froh, dass wir das heute beim parlamentarischen Frühstück noch einmal deutlich machen konnten“, sagt der friedenspolitische Sprecher der DFG-VK Yannik Kiesel im Anschluss. Auch Michael Zimmermann von der evangelischen Kirche Sachsen war froh über das parlamentarische Frühstück bei dem auch im Anschluss noch Gespräche mit Abgeordneten geführt wurden (siehe Bild 2).

„Die Abgeordneten und ihre Mitarbeitenden waren teils gut informiert, interessiert und einige sogar entsetzt, dass es überhaupt möglich ist Minderjährige in die Bundeswehr zu rekrutieren!“, resümiert Zimmermann. Im Vortrag und in den Gesprächen sei es noch einmal gut verdeutlicht worden, welchen hohen Risiken Minderjähige in der Truppe ausgesetzt seien, „selbst Angehörige der Bundeswehr sprechen davon, dass es zu Problemen kommt. Es ist einfach schwierig, wenn bei 30 Soldaten und Soldatinnen zwei minderjährig sind für die einfach auch andere Rechte gelten.

Strikte Umsetzung von Straight 18, so wie es über 150 Staaten auf der Welt bereits parktizieren„.

Auch Ralf Willinger von der Kinderrechtsorganisation terre des hommes zieht ein positives Fazit: „Wir als Bündnis ‚Unter 18 Nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr!‘ haben die Gelegenheit genutzt und uns sehr klar positioniert: Es sollen keine Jugendlichen unter 18 in die Bundeswehr rekrutiert werden dürfen! Wir sehen jetzt die Politik in der Pflicht – speziell auch die Abgeordneten, die Wehrbeauftragte und das Verteidigungsministerium das jetzt auch umzusetzen!“



Ausführliche Statements aus dem Bündnis im Video
Kontakte

Ralf Willinger, terre des hommes Deutschland, r.willinger@tdh.de, Tel. 0541-7101-108

Michael Zimmermann, Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen, michael.zimmermann@evlks.de, Tel. 0341-9940-625

Bilder vom parlamentarischen Frühstück, Februar 2024

Halbzeitbilanz der Bundesregierung: Bundeswehr rekrutiert mehr Minderjährige als Soldatinnen und Soldaten

Zum Weltkindertag am 20. September zieht das Bündnis „Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr“ eine kritische Halbzeitbilanz der Arbeit der aktuellen Bundesregierung. Obwohl im Koalitionsvertrag festgehalten ist, dass „Ausbildung und Dienst an der Waffe volljährigen Soldatinnen und Soldaten vorbehalten bleiben soll”, hat die Bundeswehr 2022 1.773 minderjährige Soldatinnen und Soldaten eingestellt, darunter 327 Mädchen – ein erheblicher Anstieg um 43 Prozent gegenüber dem Vorjahr und der höchste Wert seit fünf Jahren. Fast 10 Prozent aller neu eingestellten Soldaten und Soldatinnen waren 2022 minderjährig.

„Unser Bündnis fordert Verteidigungsminister Pistorius auf, das Rekrutierungsalter auf 18 Jahre zu erhöhen, wie es im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist und wie es seine Partei, die SPD, und der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes seit vielen Jahren fordern“, sagt Martina Schmerr von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Sprecherin des Bündnisses „Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr“.

“Die Bundeswehr versucht, ihre Personalprobleme auf Kosten von schutzbedürftigen minderjährigen Jungen und Mädchen zu lindern – das ist inakzeptabel und führt zu schweren Kinderrechtsverletzungen”, sagt Ralf Willinger von der Kinderrechtsorganisation terre des hommes und Sprecher des Bündnisses „Unter 18 Nie!“. “Über 150 Staaten weltweit halten den internationalen 18-Jahre-Standard für die Rekrutierung von Soldatinnen und Soldaten ein – es wird höchste Zeit, dass Deutschland dies auch tut.“

Mit Blick auf zunehmende Einsätze von Jugendoffizieren und „Karriereberater*innen“ der Bundeswehr an Bildungseinrichtungen sagt Martina Schmerr von der GEW: „Der russische Angriffskrieg hat vieles verändert: Das Militär präsentiert sich durch einen stetig steigenden Werbeetat in immer mehr Bereichen der Gesellschaft. Auch werden zunehmend Stimmen laut, dass sich die Schule für Jugendoffiziere öffnen sollte. Schulen müssen aber ein geschützter und ziviler Raum für Kinder und Jugendliche bleiben.“ 

Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes hatte Deutschland zum Abschluss des Prüfverfahrens der Lage der Kinderrechte in Deutschland scharf kritisiert und dringend aufgefordert, die andauernde Rekrutierung minderjähriger Soldatinnen und Soldaten zu stoppen, da die Gefahr von Unfällen, seelischen Schäden, sexuellem Missbrauch und andere Formen der Gewalt in der Bundeswehr besonders hoch ist und solche Fälle dort regelmäßig registriert werden [1].

Das Bündnis “Unter 18 Nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr” wird getragen von verschiedenen Organisationen aus den Bereichen Frieden, Menschenrechte, Kirche und Gewerkschaften.

Kontakte:

Martina Schmerr, GEW, martina.schmerr@gew.de, Tel. 069/78973-322

Ralf Willinger, terre des hommes Deutschland, r.willinger@tdh.de, Tel. 0541/7101-108


[1] Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Abgeordnetenfrage (1980034-V267, 2021), die belegt, dass minderjährige Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr schwere körperliche und seelische Schäden erleiden. Abrufbar unter: https://unter18nie.de/2021/09/17/pressemitteilung-minderjaehrige-soldatinnen-und-soldaten-erleiden-koerperliche-und-seelische-schaeden/