Als zweite Partei haben die Grünen auf unsere Wahlprüfsteine geantwortet:

1. Wird Ihre Partei sich für die Anhebung des Bundeswehr-Rekrutierungsalters auf 18 Jahre einsetzen – wie es vom UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes und von der Kinderkommission des Deutschen Bundestages gefordert wird?

2004 hat Deutschland das Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten ratifiziert und sich damit zu einem weitreichenden Schutz von Minderjährigen verpflichtet. Der Schutz von Kindern vor Gewalt darf aber nicht nur direkte bewaffnete Auseinandersetzungen im Blick haben, sondern muss auch die Vorbereitung auf diese einschließen. Um mit gutem Beispiel voranzugehen und international glaubwürdig auftreten zu können, fordern wir GRÜNE, keine Minderjährigen für den Dienst in der Bundeswehr zu rekrutieren und dies auch gesetzlich zu verankern.

2. Wird sich Ihre Partei dafür einsetzen, dass Militärwerbung bei Minderjährigen gesetzlich verboten wird – wie es auch der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes und die Kinderkommission des Deutschen Bundestages fordern?

Die Bundeswehr ist kein Arbeitgeber wie alle anderen. Daher können auch nicht die gleichen Maßstäbe für die Bundeswehr und andere Organisationen bzw. Unternehmen bei der Personal- und Nachwuchsgewinnung gelten. Es braucht vielmehr klare Regeln, Grenzen und Leitplanken. Einseitige Werbung, die den Dienst bei der Bundeswehr als Abenteuercamp darstellt, verbietet sich. Wir GRÜNE fordern zudem eine strikte Trennung zwischen Informationsarbeit und Nachwuchswerbung an Schulen. Während ein kritischer und ausgewogener Austausch auch an Schulen möglich sein sollte, darf es keine gezielte Anwerbung oder Indoktrination Minderjähriger geben. Gemäß dem Beutelsbacher Konsens muss bei der Informationsarbeit an Schulen auch Raum für kontroverse und zivilgesellschaftliche Ansätze und Perspektiven vorhanden sein, um eine ganzheitliche friedens- und sicherheitspolitische Aufklärung sicherzustellen.

3. Wie wollen Sie künftig den Schutz minderjähriger Soldat*innen vor sexuellen Übergriffen, körperlicher und seelischer Gewalt, Unfällen, psychischen Schäden und anderen Risiken der Soldatenausbildung gewährleisten, zu denen die Bundeswehr nach nationalen und internationalen Gesetzen verpflichtet ist?

Sexuelle Übergriffe, körperliche und seelische Gewalt und andere herabsetzende oder diskrimminierende Handlungen müssen überall – auch in den Streitkräften – geächtet und verhindert werden. Minderjährige und junge Menschen bedürfen dabei stets eines besonderen Schutzes und der besonderen Fürsorge. Voraussetzung dafür sind Präventionsleitlinien, die stetige Sensibilisierung im Rahmen der Aus-/Weiterbildung und Personalführung, die Schaffung von vertrauenswürdigen Ansprechstellen (z.B. Gleichstellungsbeaufragte) und die rasche Klärung und ggf. Sanktionierung von Vorkommnissen. Verdachtsfälle gilt es vollumfänglich und schnellstmöglich aufzuklären. Den Betroffenen ist Schutz, Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen.

4. Wird Ihre Partei dafür sorgen, dass Daten zur Lage minderjähriger Soldat*innen in der Bundeswehr (zu sexuellem Missbrauch, Unfällen, Gesundheit, politischem Extremismus, Kündigungen) künftig mindestens einmal im Jahr ausgewertet und veröffentlicht werden?

Die Bundeswehr verfügt über ein umfangreiches Meldewesen und ein breites Spektrum meldepflichtiger Ereignisse. Ein ehrlicher Aufklärungswille sowie eine umfassende Auswertung und Evaluation bilden die Voraussetzung, um nachzuvollziehen, wie es zu Fehlstrukturen und -verhalten, Führungsversagen, Machtmissbrauch oder extremistischen Vorfällen kommen konnte. In der Bundeswehr, in der die charakterliche Eignung aufgrund der sicherheitssensiblen Tätigkeit besondere Bedeutung haben muss, gilt es unbedingt die Aufklärung jeglicher Vorfälle (wie sexueller Missbrauch, Unfälle, Gesundheit, politischer Extremismus, Kündigungen) konsequent und transparent voranzutreiben. Nur so können Strategien zur effektiven Vermeidung entwickelt werden, Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden und Betroffene geeignete Hilfe erhalten. Eine praktizierte und gestärkte Innere Führung, verantwortungsbewusste Personalgewinnung und zeitgemäße, verbindliche politische Bildung sind ebenfalls bedeutsam.

  1. Wird Ihre Partei sich für die Anhebung des Bundeswehr-Rekrutierungsalters auf 18 Jahre einsetzen – wie es vom UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes und von der Kinderkommission des Deutschen Bundestages gefordert wird?
    Antwort:
    Oft entscheiden junge Menschen schon vor Eintritt der Volljährigkeit, welchen beruflichen Weg sie einschlagen wollen. Damit 17-Jährigen gegenüber gleichaltrigen Berufseinsteigern, die zivil ausgebildet werden, keine Nachteile mit ihrem Eintritt in die Bundeswehr entstehen, sollen sie auch künftig ihre Ausbildung bei der Truppe vor ihrem 18. Geburtstag beginnen können. In einem solchen Fall wird in intensiven Auswahlgesprächen überprüft, ob die Person die nötige Reife mitbringt. Sie braucht das Einverständnis der Erziehungsberechtigten und muss die Vollzeit-Schulpflicht erfüllt haben. 17-jährige Soldaten der Bundeswehr werden nicht in den Einsatz geschickt. Sie dürfen Schusswaffen ausschließlich zu Übungs- und Ausbildungszwecken verwenden. Zum Wachdienst in der Kaserne werden sie nicht eingeteilt, da hier ein möglicher Schusswaffengebrauch zwar unwahrscheinlich ist, aber nicht ausgeschlossen werden kann. Mit diesen Bestimmungen hält sich die Bundesrepublik Deutschland an ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen wie die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen.
  2. Wird sich Ihre Partei dafür einsetzen, dass Militärwerbung bei Minderjährigen gesetzlich verboten wird – wie es auch der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes und die Kinderkommission des Deutschen Bundestages fordern?
    Antwort:
    Da vor einer möglichen Einstellung die unter Antwort 1 genannten Voraussetzungen eingehalten werden müssen, ist es gerechtfertigt, dass die Bundeswehr Jugendliche ansprechen darf, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres eine Berufswahl treffen möchten. Das ist in vielen Fällen eine wichtige Voraussetzung dafür, dass solche Jugendliche auf umfassende Informationsangebote über Berufsmöglichkeiten innerhalb der Bundeswehr aufmerksam gemacht werden.
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  3. Wie wollen Sie künftig den Schutz minderjähriger Soldat*innen vor sexuellen Übergriffen, körperlicher und seelischer Gewalt, Unfällen, psychischen Schäden und anderen Risiken der Soldatenausbildung gewährleisten, zu denen die Bundeswehr nach nationalen und internationalen Gesetzen verpflichtet ist?
    Antwort:
    Die Bindung des Handelns aller Soldatinnen und Soldaten an Recht und Gesetz ist Gegenstand der Dienstaufsicht der Vorgesetzten. Bereits in der Grundausbildung werden alle Soldatinnen und Soldaten über die Thematik „Gleichstellung, Gleichbehandlung und Umgang mit Sexualität“ unterrichtet, um dem Schutzbedarf gerecht zu werden. CDU und CSU werden dafür sorgen, dass in den Ausbildungsstätten der Bundeswehr auch künftig die jugendlichen Soldatinnen und Soldaten darüber hinaus unter dem besonderen Schutz und der zusätzlichen Aufsicht durch die Vorgesetzten stehen müssen.
  4. Wird Ihre Partei dafür sorgen, dass Daten zur Lage minderjähriger Soldat*innen (zu sexuellem Missbrauch, Unfällen, Gesundheit, politischem Extremismus, Kündigung) in der Bundeswehr künftig mindestens einmal im Jahr ausgewertet und veröffentlicht werden?
    Antwort:
    Die Zahl der minderjährigen Soldatinnen und Soldaten und die Zahl der Kündigungen aus diesem Personenkreis werden regelmäßig veröffentlicht. Im Rahmen des Meldewesens Innere und Soziale Lage der Bundeswehr müssen Verdachtsfälle auf entwürdigende Aufnahmerituale oder gewalttätige Übergriffe von den jeweiligen Dienststellen gemeldet werden. Ab 2018 werden gesondert Daten zu der Minderjährigkeit der betroffenen Soldaten erhoben. Auch die Wehrbeauftragte berichtet jährlich über wichtige Daten und Eingaben von 17-Jährigen oder deren gesetzlichen Vertretern. Auch durch Antworten der Bundesregierung oder die Veröffentlichung von wissenschaftlichen Studien werden viele Daten zur Lage der 17-Jährigen bei der Bundeswehr der Öffentlichkeit bekannt.
+++ Newsletter vom 10.08.2021 +++ Neues Erklär-Video für Online-Tool „Widerspruch“ bei Bundeswehrwerbung

Dieses Mal haben wir den Newsletter kurz und knapp gehalten, denn es geht um ein ganz bestimmtes Thema: Die Weitergabe der Meldedaten von Minderjährigen an die Bundeswehr. Was wir uns dagegen überlegt haben und wie ihr es nutzen könnt, erfahrt ihr heute!

Viel Spaß beim Lesen (und Anschauen)!
Herzliche Grüße

Sarah Fontanarosa, Campaignerin



Immer wieder melden sich Jugendliche und deren Eltern bei uns, weil sie ungefragt Werbung von der Bundeswehr per Post erhalten. Viele sind davon sehr verärgert und wundern sich, woher die Bundeswehr ihre Adressen hat. Leider geben die Einwohnermeldeämter die Daten weiter, ohne dass man dem zustimmen muss. Aber: Ihr könnt widersprechen – und zwar mit unserem Online-Tool!

Damit ihr in nur zwei Minuten versteht, was es damit genau auf sich hat, und wie ihr das Ganze nutzen könnt, haben wir nun ein Erklär-Video erstellt.

Viel Spaß beim Anschauen und Teilen!

Immer wieder melden sich Jugendliche und deren Eltern bei uns, weil sie ungefragt Werbung von der Bundeswehr per Post erhalten. Viele sind davon sehr verärgert und wundern sich, woher die Bundeswehr ihre Adressen hat. Leider geben die Einwohnermeldeämter die Daten weiter, ohne dass man dem zustimmen muss. Aber: Ihr könnt widersprechen – und zwar mit unserem Online-Tool!

Damit ihr in nur zwei Minuten versteht, was es damit genau auf sich hat, und wie ihr das Ganze nutzen könnt, haben wir dieses Video erstellt. Viel Spaß beim Anschauen und Teilen!

Was haben wir bereits geschafft, und was haben wir noch vor?

Liebe Freundinnen und Freunde,

dies ist der achte Newsletter der Kampagne „Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr“.

Vor Kurzem erhielten wir die Info, dass im letzten Jahr 1.148 Minderjährige von der Bundeswehr neu eingestellt wurden – wir haben also noch einiges zu tun, aber auch schon viel geschafft! Über dies und mehr möchten wir dich heute informieren:

1. Save The Date: Aktionstage im Sommer
2. Datenweitergabe an die Bundeswehr beenden: Mit unserem Widerspruchstool!
3. Gespräche mit Politiker*innen
4. Kritik an „Dein Jahr für Deutschland“

Viel Spaß beim Lesen!
Herzliche Grüße

Sarah Gräber, Campaignerin



1. Save The Date: Aktionstage im Sommer
Unser Aktionsmonat im letzten Juni war ein großer Erfolg. Deshalb haben wir uns entschlossen, auch diesen Sommer daran anzuknüpfen: Vom 21. August bis zum 05. September finden unsere Aktionstage statt! Mach mit bei den Aktionstagen:
 

  • Sammle Unterschriften für die Petition der Kampagne.
  • Werde aktiv und organisiere Infostände, Kundgebungen oder andere Aktionen, um auf die skandalöse Rekrutierungspraxis der Bundeswehr aufmerksam zu machen.
  • Bestelle und verteile Materialien der Kampagne. Aktionspakete mit Banner, Flyern, Aufklebern, Fact Sheets und großen Pappaufstellen schicken wir Dir gerne zu (schreib uns einfach: info@unter18nie.de).
  • Unterschreibe und verschicke unsere Postkarte, mit der du die Weitergabe deiner Daten an die Bundeswehr verbietest oder nutze dafür unser Online-Tool und verbreite es weiter.
  • Verfolge die Werbung der Bundeswehr auf YouTube kritisch und hinterlasse Kommentare, wenn es etwas zu sagen gibt.
  • Folge uns auf Facebook, Twitter und Instagram, um nichts zu verpassen.
  • Komm ins Gespräch mit Politiker*innen aus deinem Wahlkreis und nutze dafür unseren Leitfaden.

Sei dabei, denn gemeinsam können wir etwas erreichen! Mehr Informationen folgen in Kürze.

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2. Datenweitergabe an die Bundeswehr beenden:
Mit unserem Widerspruchstool!

Du bist Jugendlicher und hast Werbung von der Bundeswehr im Briefkasten, die du nicht bekommen willst? Und wunderst du dich, woher sie überhaupt deine Adresse hat? Die Antwort ist: Vom Einwohnermeldeamt! Und das geschieht ohne deine Zustimmung. Aber du kannst dem Ganzen widersprechen! Und zwar mit einem ganz einfachen und automatischen Tool direkt hier auf unserer Webseite.
 

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3. Gespräche mit Politiker*innen + unsere Forderung im Wahlprogramm der Grünen

Seit dem letzten Newsletter hatte unsere Campaignerin Sarah Gräber die Möglichkeit, mit der Bundestagsabgeordneten Gökay Akbulut (Die Linke) bei einem Online-Meeting zu sprechen (siehe Foto rechts). Unsere Themen – die Rekrutierung Minderjähriger sowie die Bundeswehrwerbung, die sich an Jugendliche richtet – stießen bei ihr auf großes Interesse. Alle Beteiligten tauschten sich über die Gefahren aus, die damit einhergehen und stimmten gemeinsam nächste Schritte ab. Wir freuen uns darauf, künftig mit Frau Akbulut an der Erreichung unserer Ziele zu arbeiten.

Außerdem freuen wir uns über die Unterstützung von Eva Högl, der Wehrbeauftragten des Bundestags. In einem Interview mit dem Deutschlandfunk wurde sie direkt auf unsere Kampagne angesprochen und hat bestätigt, dass sie unsere Forderungen unterstützt und sich für eine Erhöhung des Rekrutierungsalters auf 18 Jahre einsetzt:

„Sie kennen das Bündnis “Unter 18 nie!”. Würden Sie es unterschreiben?“ „Ich würde es unterschreiben. Ich setzte mich während meiner Amtszeit auch dafür ein, dass wir sagen: Bundeswehr ab 18, das ist früh genug.“

Das ganze Interview gibt es hier.

Sehr erfreulich ist, dass sich unsere Beharrlichkeit ausgezeichnet hat. Die Grünen haben unsere Forderung in ihr Wahlprogramm aufgenommen:

„Die Rekrutierung Minderjähriger sowie den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Inneren lehnen wir ab und wollen den Freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz beenden sowie die politische Bildung in Schulen, durch Stärkung ziviler Krisenprävention und Konfliktbearbeitung, gleichberechtigt gestalten.“

Übrigens: Auf www.unter18nie.de findest du die Wahlprüfsteine, die wir an alle Parteien (außer der AFD) in Vorbereitung auf die Bundestagswahl geschickt haben. Sobald wir Antworten erhalten, informieren wir euch.

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4. Kritik an „Dein Jahr für Deutschland“

Anfang April haben die ersten Rekrutinnen und Rekruten den neuen „Freiwilligendienst im Heimatschutz“ bei der Bundeswehr angetreten. Doch die von der Verteidigungsministerin vorangetriebene Initiative ist umstritten – vor allem, weil das neue Rekrutierungsformat, das schon Jungen und Mädchen ab 17 Jahren offensteht.

Die Rekrutinnen und Rekruten, die nun an insgesamt 13 Standorten ihren Dienst begonnen haben, bekommen zunächst eine dreimonatige militärische Grundausbildung, wie sie andere Soldatinnen und Soldaten auch erhalten. Nach dem ersten Quartal gehen sie dann in eine Spezialgrundausbildung. In diesen vier Monaten der Spezialausbildung lernen die Frauen und Männer vor allem „Objektschutz“. Das heißt: Das Sichern von bedeutenden Gebäuden, von Lagerstätten, von Brücken. Von einer Art „Wehrdienst light“ sprechen nicht wenige mit Blick auf den Freiwilligendienst. „Der neue Freiwillige Wehrdienst im Heimatschutz ist ein Werbetrick, um gezielt junge Menschen und Minderjährige als Soldaten anzuwerben”, sagt unser Sprecher Ralf WIllinger von terre des hommes.

„Der neue Wehrdienst im Heimatschutz ist gerade für junge Schulabgänger*innen attraktiv und wird deshalb die Zahlen minderjähriger Soldatinnen und Soldaten weiter erhöhen“, sagt Armin Lauven von Pax Christi. „Die Grundrechte sind bei Soldatinnen und Soldaten sowieso stark eingeschränkt, die Kinderrechte werden regelmäßig schwer verletzt, es gibt, auch außerhalb der Auslandseinsätze, hohe Risiken. Das verdeutlicht glasklar: Die Bundeswehr ist kein Ort für minderjährige Jungen und Mädchen und jeder Wehrdienst, auch der neue Heimatschutz-Wehrdienst, muss sich auf Erwachsene beschränken!“

Wir werden auch an diesem Thema dranbleiben!

Anfang April haben die ersten Rekrutinnen und Rekruten den neuen „Freiwilligendienst im Heimatschutz“ bei der Bundeswehr angetreten. Doch die von der Verteidigungsministerin vorangetriebene Initiative ist umstritten – vor allem, weil das neue Rekrutierungsformat, das schon Jungen und Mädchen ab 17 Jahren offen steht.

Die Rekrutinnen und Rekruten, die nun an insgesamt 13 Standorten ihren Dienst beginnen, bekommen zunächst eine dreimonatige militärische Grundausbildung, wie sie andere Soldatinnen und Soldaten auch erhalten. Nach dem ersten Quartal gehen sie dann in eine Spezialgrundausbildung. In diesen vier Monaten der Spezialausbildung lernen die Frauen und Männer vor allem „Objektschutz“. Das heißt: Das Sichern von bedeutenden Gebäuden, von Lagerstätten, von Brücken. Von einer Art „Wehrdienst light“ sprechen nicht wenige mit Blick auf den Freiwilligendienst. „Der neue Freiwillige Wehrdienst im Heimatschutz ist ein Werbetrick, um gezielt junge Menschen und Minderjährige als Soldaten anzuwerben“, sagt unser Sprecher Ralf WIllinger von terre des hommes.

„Der neue Wehrdienst im Heimatschutz ist gerade für junge Schulabgänger*innen attraktiv und wird deshalb die Zahlen minderjähriger Soldatinnen und Soldaten weiter erhöhen“, sagt Armin Lauven von Pax Christi. „Die Grundrechte sind bei Soldatinnen und Soldaten sowieso stark eingeschränkt, die Kinderrechte werden regelmäßig schwer verletzt, es gibt, auch außerhalb der Auslandseinsätze, hohe Risiken. Das verdeutlicht glasklar: Die Bundeswehr ist kein Ort für minderjährige Jungen und Mädchen und jeder Wehrdienst, auch der neue Heimatschutz-Wehrdienst, muss sich auf Erwachsene beschränken!“

Unsere Kampagne hat vier Fragen bei CDU/CSU, SPD, FDP, den Linken und den Grünen eingereicht um ihre jeweilge Position zum Thema Minderjährige in der Bundeswehr abzufragen. Mit einer Antwort der Parteien rechnen wir ab Juli.

Unsere Fragen lauten:

1. Rekrutierung minderjähriger Soldat*innen

Deutschland ist eines von wenigen Ländern weltweit, das den internationalen 18-Jahres-Standard bei der Rekrutierung von Soldatinnen nicht einhält (über 150 Länder halten ihn ein) und jedes Jahr minderjährige Jungen und Mädchen als Bundeswehrsoldatinnen einstellt, in den letzten 10 Jahren (seit 2011) waren es insgesamt über 14.000, im Jahr 2020 waren es 1.148.


• Wird Ihre Partei sich für die Anhebung des Bundeswehr-Rekrutierungsalters auf 18 Jahre einsetzen – wie es vom UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes und von der Kinderkommission des Deutschen Bundestages gefordert wird?

2. Militärwerbung bei Minderjährigen

Die Bundeswehr wirbt mit teuren Kampagnen in den Sozialen Medien, auf Messen und Veranstaltungen bei Minderjährigen. Soldatinnen und Soldaten (Jugendoffiziere und Karriereberater) erreichen bei Schulbesuchen jedes Jahr mehrere Hunderttausend Schüler*innen, sie betreiben Imagewerbung und halten Vorträge vor Schulklassen. Die Risiken und Schattenseiten des Soldatenberufs werden dabei ganz verschwiegen oder unzureichend thematisiert, gleiches gilt für gedruckte Informations- und Werbematerialien der Bundeswehr.


• Wird sich Ihre Partei dafür einsetzen, dass Militärwerbung bei Minderjährigen gesetzlich verboten wird – wie es auch der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes und die Kinderkommission des Deutschen Bundestages fordern?

3. Sexuelle, körperliche und seelische Gewalt, Unfälle und weitere Risiken

Bei der Bundeswehr kommt es jedes Jahr zu schweren Unfällen und sexuellem Missbrauch. Die Zahl strafbarer sexueller Übergriffe, die von der Bundeswehr registriert werden, hat sich von 2015 (86) bis 2019 (345) vervierfacht. In den letzten drei Jahren waren laut Verteidigungsministerium davon mind. 17 Minderjährige betroffen. Minderjährige werden mit Erwachsenen zusammen untergebracht und an der Waffe militärisch ausgebildet, sie erlernen Kriegstechniken und wie man Menschen tötet.
• Wie will Ihre Partei künftig den Schutz minderjähriger Soldat*innen vor sexuellen Übergriffen, körperlicher und seelischer Gewalt, Unfällen, psychischen Schäden und anderen Risiken der Soldatenausbildung gewährleisten, zu denen die Bundeswehr nach nationalen und internationalen Gesetzen verpflichtet ist.

4. Datenerhebung zur Lage minderjähriger Soldat*innen

Zur Lage minderjähriger Soldatinnen in der Bundeswehr werden bisher keine Daten ausgewertet und veröffentlicht, obwohl sich diese Verpflichtung aus den Schutzpflichten der UN-Kinderrechtskonvention und ihres ersten Zusatzprotokolls ergibt und diese Daten vom UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes von Deutschland eingefordert wurden.

Wird Ihre Partei dafür sorgen, dass Daten zur Lage minderjähriger Soldatinnen in der Bundeswehr (zu sexuellem Missbrauch, Unfällen, Gesundheit inkl.
psychologische Gesundheit, physischer und psychischer Gewalt (inkl. Mobbing), Suiziden, Drogenmissbrauch, politischem Extremismus, vorzeitigem Abbruch oder Kündigung des Dienstverhältnisses, etc.) künftig mindestens einmal im Jahr ausgewertet und veröffentlicht werden?

Eva Högl, die Wehrbeauftragte des Bundestags, hat dem Deutschlandfunk ein Interview gegeben, in dem sie direkt auf unsere Kampagne angesprochen wurde. Dort hat sie bestätigt, dass sie unsere Forderungen unterstützt und sich für eine Erhähung des Rekrutierungsalters auf 18 Jahre einsetzt: „Sie kennen das Bündnis „Unter 18 nie!“. Würden Sie es unterschreiben?“ „Ich würde es unterschreiben. Ich setzte mich während meiner Amtszeit auch dafür ein, dass wir sagen: Bundeswehr ab 18, das ist früh genug.“

Das ganze Interview gibt es hier.

Bonn/Stuttgart, 18.01.2021 Trotz scharfer Kritik aus dem In- und Ausland rekrutiert die Bundeswehr auch weiterhin unter 18-Jährige.

Die Kampagne „Unter 18 nie!“ kritisiert die noch immer hohe Zahl von Minderjährigen in der Bundeswehr. „Es ist zwar erfreulich, dass unsere Arbeit Wirkung zeigt und 2020 etwas weniger unter 18-Jährige ihren Dienst bei der Bundeswehr begonnen haben als in den letzten Jahren, trotzdem ist die Zahl noch immer skandalös hoch“, erklärt Sarah Gräber, Sprecherin der Kampagne.

„Unter 18 nie!“ bezieht sich auf neueste Zahlen aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Norbert Müller von DIE LINKE. Demnach wurden 2020 insgesamt 1.148 Minderjährige von der Bundeswehr neu eingestellt – 773 davon als Freiwilligen Wehrdienst-Leistende und 375 als Soldaten auf Zeit. Damit ist die Zahl zwar im Vergleich zum Vorjahr gesunken, bleibt aber weiter auf einem hohen Niveau. Laut Bundesregierung waren 231 der minderjährigen eingestellten Rekruten im vergangenen Jahr Mädchen. Seit Aussetzung der Wehrpflicht hat die Bundeswehr über 14.000 Minderjährige an der Waffe ausgebildet.

Die Kampagne verweist auf die UN-Kinderrechtskonvention, die die Rekrutierung von Minderjährigen verbietet, sowie auf den UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes und die Kinderkommission des Bundestags, die Deutschland wiederholt empfohlen haben, das Rekrutierungsalter auf 18 Jahre anzuheben.

„Deutschlands Rekrutierungspraxis ist rückständig, nur noch wenige Länder weltweit rekrutieren überhaupt noch Minderjährige in ihre Armeen. Der Soldatenberuf birgt hohe Risiken, auch in der Ausbildung, der Kindesschutz ist in der Bundeswehr nicht gewährleistet, es kommt jedes Jahr zu schweren Kinderrechtsverletzungen. Minderjährige Rekrut*innen sind dem hohen Druck oft nicht gewachsen, sie brechen ihren Dienst häufig vorzeitig ab oder werden gekündigt. Es wird höchste Zeit, diese rückständige Rekrutierungspraxis zu beenden und das Rekrutierungsalter auf 18 Jahre anzuheben“, fordert Ralf Willinger von der Trägerorganisation terre des hommes.

Die Kampagne „Unter 18 nie! Keine Minderjährigen bei der Bundeswehr“ wird getragen von einem breiten Bündnis verschiedener Organisationen und Zusammenschlüsse aus den Bereichen der Friedensinitiativen, der Kirchen und der Gewerkschaften. Sie fordert die Anhebung des Rekrutierungsalters für den Militärdienst auf 18 Jahre sowie ein Verbot jeglicher Bundeswehrwerbung bei Minderjährigen.

Kurz vor Weihnachten hatte unsere Campaignerin Sarah Gräber zusammen mit zwei Vertretern unserer Trägerorganisation „DFG-VK Baden-Württemberg“ die Möglichkeit, mit der Bundestagsabgeordneten Gökay Akbulut (Die Linke) zu sprechen. Unsere Themen (die Rekrutierung Minderjähriger sowie die Bundeswehrwerbung, die sich an Jugendliche richtet) stießen bei ihr auf großes Interesse. Die Beteiligten tauschten sich über die Gefahren aus, die damit einhergehen und stimmten gemeinsam nächste Schritte ab. Wir bedanken uns bei Frau Akbulut für ihre Zeit und freuen uns darauf, künfitg mit ihr an der Erreichung unserer Ziele zu arbeiten.

Jan Ohn (Mitarbeiter von Frau Akbulut), Hedwig Sauer-Gürth und Otto Reger (Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Baden-Württemberg), Sarah Gräber (Campaignerin von Unter 18 nie! und Gökay Akbulut im Online-Gespräch.