„Mit den Feldjägern willst du dich nicht anlegen“ – Interview mit Janne M.
Für Janne M. stand schon in der 8. Klasse fest, dass er nach der Schule zur Bundeswehr gehen will. Mit 17 war es soweit, doch schon nach einer Woche kündigte er. Wie er sich seine Karriere bei der Bundeswehr vorstellte und warum er sich so schnell dagegen entschied, erzählt Janne in unserem Gespräch.
Wie bist du mit 17 Jahren zur Bundeswehr gekommen?
Ich war in der 8. Klasse als die Bundeswehr-Serie „Die Rekruten“ auf YouTube erschien. Ich schaute sie komplett, kam so auf den Gedanken Bundeswehr und informierte mich weiter. Ich wollte klar in die militärische Richtung und nicht in die zivile, weil ich ins Ausland wollte. Als es darum ging, die eigene Zukunft zu planen, vereinbarte ich ein Beratungsgespräch im Karrierecenter der Bundeswehr.
Wie alt warst du bei dem Beratungsgespräch?
Ich war etwa sechzehneinhalb. Bei dem Beratungsgespräch wurde mir gesagt, was ich schon vorher wusste. Dass ich noch sehr jung sei, wo ich hingehen und was meine Aufgaben sein könnten. So hatte ich seit der 8. Klasse das Ziel, zur Bundeswehr zu gehen und habe das auch erst einmal durchgezogen.
Warum wolltest du unbedingt ins Ausland?
Ich hatte schon immer den Wunsch, Menschen zu helfen. Ich wollte etwas bei der Bundeswehr machen, wobei ich die Welt sehe und mit Menschen in Kontakt bin.
Mir war auch bewusst, dass es die „Soldatenkrankheit“ PTBS gibt. Ich habe mir nicht nur diese Bundeswehr-Serien angeschaut, sondern auch Dokumentationen über Auslandseinsätze und ihre Folgen.
Hast du in der Zeit schon mit Freunden und deiner Familie über deine Entscheidung gesprochen?
Ja, ich erzählte als erstes meinen Eltern, dass ich zur Bundeswehr gehen will. Meine Mutter war von Anfang an der richtigen Meinung als sie sagte, dass ich nach einem Tag wieder da bin, auch wenn es letztendlich doch eine Woche gedauert hat.
Es war aber niemand in meinem Umfeld dagegen — außer der Sozialarbeiter an meiner ehemaligen Realschule. Seine Frau war voll dagegen, dass Minderjährige Soldaten werden. Das war ein großer Punkt für die beiden.
Hat das Alter denn für dich eine Rolle gespielt?
Damals dachte ich gar nicht darüber nach, zu jung für die Bundeswehr zu sein. Jetzt weiß ich, dass ich es war. Ich hätte einfach noch ein bisschen warten sollen und hätte dann Soldat werden können. Stattdessen dachte ich, wenn ich jetzt zur Bundeswehr gehe, habe ich starke Aufstiegschancen und kann richtig Karriere machen, weil ich noch so jung bin. So habe ich das damals gesehen.
Hattest du einen Plan B, falls das mit der Bundeswehr nicht geklappt hätte?
Zur Bundeswehr zu gehen, war eigentlich mein einziger Plan. Viele Leute aus meinem Umfeld sagten mir, dass ich sehr kommunikativ und sozial bin und warum ich nicht lieber in den sozialen Bereich gehe.
Für welchen Werdegang in der Bundeswehr hast du dich entschieden?
Langfristig wollte ich Berufssoldat werden, mich also für 13 Jahre verpflichten. Mein Plan war aber, mich erst einmal nur für zwei Jahre zu verpflichten, um leicht anzufangen. Bei dem Beratungsgespräch wurde mir gesagt, dass zwei Jahre nicht so viel brächten und ich lieber vier Jahre machen solle. Das habe ich dann gemacht, weil es mir empfohlen wurde. Aufgrund der sechsmonatigen Ausstiegsfrist hatte ich das Gefühl, genug Zeit zu haben, um zu entscheiden, ob und wie lange ich mich weiter verpflichten möchte.
Wärst du innerhalb der sechs Monate noch volljährig geworden?
Nein, ich bin im Mai 17 geworden und Anfang Oktober war der Beginn der Grundausbildung.
Was wäre passiert, wenn du die Bundeswehr nach den sechs Monaten hättest verlassen wollen?
Das wurde mir ehrlich gesagt nicht erklärt. Das hätte wirklich besser kommuniziert werden müssen. Es gibt ja schließlich auch die Feldjäger, die Polizei der Bundeswehr, die zu dir nach Hause kommen, wenn du nicht in der Kaserne auftauchst. Du musst dich in den sechs Monaten entscheiden — und das lieber zu früh als zu spät, denn mit den Feldjägern willst du dich nicht anlegen.
Wieso hast du die Bundeswehr dann letztendlich schon nach einer Woche verlassen?
Die erste Woche war vorbei und ich bin über das Wochenende nach Hause gefahren. Ich musste viel über die letzten Tage nachdenken und habe für mich festgestellt, dass ich mit dieser Grundanspannung, die ich jeden Tag hatte, nicht länger klarkomme. Jeden morgen war ich nervös vor dem Tag, hatte Bauchschmerzen und konnte nichts essen — immer mit dem Gedanken im Kopf, gleich wieder angeschrien zu werden. Außerdem konnte ich durch diese Grundanspannung nicht mehr richtig schlafen. Ich habe schon geschlafen, aber mir war untergründig bewusst, gleich wirst du wieder aus dem Bett geschrien und sobald du daran denkst, ist es soweit und du musst zu 100 Prozent da sein. Ich wusste, dass ich funktionieren muss und hatte Angst, es nicht zu tun.
Wir hatten eine Tafel, an die anonym geschrieben wurde, wer etwas nicht konnte oder wenn eine Zeit für irgendeine Aufgabe nicht eingehalten wurde. Sobald eine Kleinigkeit nicht lief, wurde diese von dem Zugführer vor der ganzen Gruppe angesprochen. Natürlich ist das Teil der militärischen Erziehung. Man könnte jetzt sagen, daran gewöhnt man sich schon, aber für mich war es der Punkt, an dem ich gesagt habe, ich kann mein Leben auch entspannter leben. Aufgrund dieser Dinge war ich mir sicher, dass ich bei der Bundeswehr nicht glücklich werde und kündigte nach dem Wochenende. Das sagte ich auch meinen Kameraden und meinen Ausbildern und dass ich vorhabe, etwas im sozialen Bereich zu machen. Jetzt habe ich ein FSJ gemacht und fange eine Ausbildung an. Das war trotz des Jahres Leerlauf in meinem Lebenslauf, die richtige Entscheidung.
Interview: Leoni Gau